Normung

 

 

 

Was sind eigentlich Normen?
Wie verbindlich sind Normen?
Wie entstehen Normen?

TIPP: Anwender von Normen können vom zuständigen Arbeitsgremium die Auslegung des Textes einer Norm verlangen


Normen und andere Normungsprodukte

Eine Norm ist nach DIN EN 45020

  • ein Dokument,
  • das mit Konsens erstellt und
  • von einer anerkannten Institution angenommen wurde und
  • das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung
  • Regeln, Leitlinien oder Merkmale
  • für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse
  • festlegt ...

Daneben gibt es noch weitere Normungsprodukte, die, wie beispielsweise “Technische Berichte”, in jedem Fall nur informativen Charakter haben:

Normungsprodukte / Abk.

ISO

CEN

DIN

Beschreibung

Norm

ISO

EN

DIN

festgelegte Regeln, Leitlinien, Merkmale

Technische Spezifikation

TS

TS

DINV

pränormatives Dokument

Technischer Bericht

TR

TR

FB

informatives Dokument

Workshop Agreement

IWA

CWA

(PAS)

eingeschränkt gültiges Protokoll

Anleitung

Guide

Guide

-

Leitfaden zur Normungsarbeit

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Rechtscharakter der Normen

Normen haben kraft Entstehung, Trägerschaft, Inhalt und Anwendungsbereich den Charakter von Empfehlungen. Die Beachtung der Normen steht jedermann frei. Normen an sich haben keine rechtliche Verbindlichkeit.

Wer Normen anwendet, verhält sich in der Regel “ordnungsgemäß”, da er einer Empfehlung folgt, die von den Interessierten Kreisen der Fachwelt aufgestellt wurde. Ihr Zustandekommen und ihre Anwendung qualifiziert sie als anerkannte Regeln der Technik.

Normen können aber auch verbindlich werden, beispielsweise durch den Gesetz- und Verordnungsgeber über Bezugnahme in Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder durch Verträge, in denen ihre Einhaltung vereinbart wurde. Sie dienen häufig auch der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, z. B. des Begriffes “Stand der Technik”, und erlangen dadurch rechtliche Bedeutung.

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Was muss, was kann - Verbformen und Verbindlichkeiten

Eine Norm, die, wie beispielsweise die ISO 14001, für Zertifizierungszwecke einen hohen Verbindlichkeitsgrad aufweisen soll, zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie “Muss-Formulierungen” (Anforderungen) enthält, im Gegensatz zu einer Norm mit Leitliniencharakter, wie beispielsweise die ISO 14004. Es ist immer darauf zu achten, wie bestimmte Formulierungen und Begriffe der Normen lauten und wie sie auszulegen sind, insbesondere hinsichtlich des Verbindlichkeitsniveaus. Hier gibt es eindeutige Vorgaben:

Verbindlichkeit und Verbformen

positiv

negativ

Anforderung (requirement)

muss (shall)

darf nicht (shall not)

Empfehlung (recommendation)

sollte (should)

sollte nicht (should not)

Zulässigkeit (permission)

darf (may)

braucht nicht...zu (need not)

Möglichkeit (possibility)

kann (can)

kann nicht (cannot)

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Stufen auf dem Weg zur Norm

Bis eine Norm offiziell verabschiedet ist entstehen Norm-Vorstufen, also Dokumente, die im Laufe des Normungsverfahren entstehen. Im folgenden sind die typischen Stufen der Normentwicklung am Beispiel des Werdegangs der ISO 14001 dargestellt:

Entwicklungsstufe

Bezeichnung des Dokuments

Beispiel

Arbeitsentwurf

Working Draft (WD)

ISO/WD 14001

Entwurfsvorschlag

Committee Draft (CD)

ISO/CD 14001

Normentwurf

Draft International Standard (DIS)

ISO/DIS 14001

Schlussentwurf

Final Draft International Standard (FDIS)

ISO/FDIS 14001

Internationale Norm

International Standard (ISO)

ISO 14001

Nationale Norm

Deutsche Norm (DIN)

DIN EN ISO 14001

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Der Normungsablauf im Einzelnen

Es besteht, auf nationaler wie auf internationaler Ebene, ein vordefinierter Ablauf der Normung, der folgende Stufen beinhaltet:

International (ISO)

Vorschlagsstufe
Vorschläge für die Erarbeitung Internationaler ISO Normen können von verschiedenen Seiten kommen, von den ISO-Mitgliedern, also nationalen Normungsinstitutionen, oder auch aus ISO-Gremien wie Technischen Komitees (TC), Unterkomitees (SC),...). Bei ausreichender Unterstützung wird der Vorschlag in das Arbeitsprogramm des TC oder SC aufgenommen, die Vorschlagsstufe (Proposal Stage) ist abgeschlossen

Bearbeitungsstufe
Die Bearbeitungsstufe (Preparatory Stage) umfasst die Ausarbeitung eines Arbeitsentwurfes (Working Draft, WD). Meist sind mehrere WDs nötig, bis ein Entwurfsvorschlag (Committee Draft, CD) zu Stande kommt und in die nachfolgende Komiteestufe (Committee Stage) gehen kann.

Komiteestufe
Auf der Komiteestufe wird das Dokument dem zuständigen TC oder SC zur Kommentierung unterbreitet. In Folge entscheidet er konsensual über die Durchführung des Umfrageverfahrens.

Umfragestufe
In der Umfragestufe (Enquiry Stage) wird der internationale Norm-Entwurf (Draft International Standart, DIS) allen Mitgliedern zur Prüfung und Abstimmung (Ja, Nein oder Enthaltung) innerhalb von fünf Monaten vorgelegt. Zur Annahme des DIS ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit des zuständigen TC oder SC und zugleich eine Drei-Viertel-Mehrheit aller abgegebenen Stimmen (ohne Enthaltungen) nötig.

Annahmestufe
In dieser Stufe wird der Internationale Schlussentwurf (Final Draft International Standard, FDIS) allen Mitgliedern zur Abstimmung innerhalb von zwei Monaten unterbreitet. Hier kann der Schlussentwurf sachlich nicht mehr geändert werden. Für die Annahmebedingungen gelten die Bedingungen der Umfragestufe.

Veröffentlichungsstufe
Es schliesst sich die Veröffentlichungsstufe (Publication Stage) an, in der das Zentralsekretariat der ISO die Norm drucken lässt und dann verteilt.

National (DIN)

Normungsantrag
Jedermann hat die Möglichkeit, Normanträge zu stellen. Der zuständige Normenausschuss entscheidet innerhalb von 3 Monaten über Annahme oder Ablehnung des Antrags; ggfls. wird ein neuer Ausschuss gegründet. Der Antragsteller erhält einen Bescheid. Wird der Normungsantrag angenommen, wird darüber die Öffentlichkeit durch eine Mitteilung im DIN-Anzeiger unterrichtet.

Normvorlage
Liegt dem Normungsantrag ein Normvorschlag bei, so wird dieser als erste Normvorlage behandelt. Andernfalls erstellt der zuständige Ausschuss eine Normvorlage, der weitere folgen können. Ist die Bearbeitung so weit gediehen, dass das Ergebnis der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt werden kann, verabschiedet der Ausschuss die Vorlage als Normentwurf.

Normentwurf
Der freigegebene Normentwurf wird gedruckt, im DIN-Anzeiger angezeigt und vom Beuth Verlag zum Verkauf freigegeben. Jedermann kann dann beim zuständigen Ausschuss Stellungnahmen mit Begründung einreichen. Dafür stehen im Regelfall 4 Monate, jedoch mindestens 2 Monate zur Verfügung. Die eingegangenen Stellungnahmen werden innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf der Einspruchsfrist behandelt. Jeder Stellungnehmende ist über das Beratungsergebnis zu unterrichten. Ergeben sich wesentliche Änderungen des Inhaltes, wird ein zweiter Entwurf erstellt, zu dem wiederum Stellung genommen werden kann. Der Ausschuss kann auch beschließen, einen Normentwurf ersatzlos zurückzuziehen.

Norm
Hat der Ausschuss schließlich alle eingegangenen Stellungnahmen behandelt und sich über die Fassung der herauszugebenden Norm geeinigt, wird diese Fassung vom Ausschuss verabschiedet. Es wird ein Kontrollabzug angefertigt, der als Normurkunde in das Deutsche Normenwerk aufgenommen, an den Beuth Verlag weitergegeben und von diesem gedruckt und als Norm verkauft wird. Die Dauer der Bearbeitung von der Annahme des Normungsantrages bis zum Erscheinen der Norm soll insgesamt 3 Jahre nicht überschreiten.

Kooperation/Übernahme
Internationale Normen sollen, unter der Voraussetzung, dass bei ihrer Erarbeitung die deutsche Öffentlichkeit informiert und zur Stellungnahme aufgefordert wurde und ihre Stellungnahmen bei der Erarbeitung der Internationalen Norm berücksichtigt worden sind, ohne Überarbeitung in deutscher Übersetzung als Deutsche Norm übernommen werden. Europäische Normen (EN) müssen in jedem Fall unverändert als Deutsche Normen übernommen werden. Deshalb haben Normungsausschüsse internationale Arbeiten auf ihrem Gebiet zu verfolgen und als sogenannte “Spiegelgremien” mit zu bearbeiten.

In der “Vereinbarung über die technische Zusammenarbeit zwischen ISO und CEN” (die sogenannte Wiener Vereinbarung vom Juni 1991) werden u. a. die Übertragung von Normungsarbeiten von CEN auf ISO und die Übernahme von bestehenden internationalen Normen als Europäische Normen geregelt.

Wurde eine ISO-Norm von CEN als EN-Norm übernommen, so besteht wie bei allen europäischen Normen für die nationalen Normungsinstitutionen wie das DIN als Mitglied von CEN die Verpflichtung, die EN-Norm unverändert zu übernehmen. Gemäß der “Stillhaltevereinbarung” haben die CEN-Mitglieder ausserdem die Verpflichtung, während der Vorbereitung und nach Annahme einer EN weder eine neue noch eine überarbeitete nationale Norm zu diesem Arbeitsgegenstand zu veröffentlichen, die nicht vollständig mit der EN übereinstimmt; eventuell vorhandene nationale Normen sind zurückzuziehen.

Überprüfung/Zurückziehung
Eine Überprüfung und Bestätigung von Normen findet in der Regel mindestens alle fünf Jahre statt (Systematic Review). Für die Überarbeitung einer Norm gilt der gleiche
Geschäftsgang wie für die Herausgabe einer Erstausgabe. Eine Norm muss ohne Ersatz zurückgezogen werden, wenn ihr Weiterbestehen wissenschaftlich, technisch oder aus anderen Gründen nicht mehr vertretbar ist oder kein praktisches Bedürfnis mehr besteht. Entschieden wird dies, mit Begründung und Einspruchsfrist (mind. 2 Monate), durch den zuständigen Arbeitsausschuss des jeweiligen Normenausschusses. Mit dem Erscheinen einer Neuausgabe oder mit dem Einstellen des Verkaufs im Falle einer Zurückziehung verlieren  die Normen ihre Gültigkeit.

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Grundsätze der Normungsarbeit

Neben den allgemeinen Grundsätzen der Freiwilligkeit, Öffentlichkeit, Sachbezogenheit, Beteiligung aller interessierter Kreise und Ausrichtung am allgemeinen Nutzen werden Normen durch das Konsensprinzip bestimmt.

Konsens ist die allgemeine Zustimmung, die durch

  • das Fehlen aufrechterhaltenen Widerspruchs gegen wesentliche Inhalte seitens irgendeines wichtigen Anteils der betroffenen Interessen und
  • durch ein Verfahren gekennzeichnet ist, das versucht, die Gesichtspunkte aller betroffenen Parteien zu berücksichtigen und alle Gegenargumente auszuräumen.

Ist - in Ausnahmefällen - in einem Arbeitsgremium eine Abstimmung erforderlich, kann gegen das geschlossene Votum eines wesentlichen an der Normung interessierten Kreises keine Entscheidung getroffen werden.

Prüfkriterien für “gute Verfahren” privater Normsetzung können sein:
(
nach Martin Führ: “Reform der europäischen Normungsverfahren - Zusammenfassung”, Darmstadt: September 1995)

  • Verfahrensablauf: Frühzeitige Beteiligung aller interessierten Kreise, Screening auf Umwelt- und Gesundheitsrelevanz, besondere Verfahrensrechte der Minderheit
  • Ausgewogene Zusammensetzung: Interessenpluralismus, Perspektivenpluralismus, Möglichkeit zur Meinungserarbeitung durch Ressourcenbereitstellung, Sachkundige Vertretung auch “diffuser” Interessen
  • Tranzparenz: Allgemein zugängliche Information über Verfahrensstand und Verfahrensplanung, Dokumentation der Entscheidungsfindung, Begründung der getroffenen Festlegungen, Dokumentation von Minderheiten-Voten
  • Ergebniskontrolle: Abstrakte Normenkontrolle auf Gemeinwohlaspekte, Inzidente Überprüfung im Einzelfall
  • Fortlaufende Anpassung: Initiativrecht zur Überprüfung, periodische Überprüfung

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Vertragliche Grundlagen des DIN

In Deutschland stellt Normen u.a. das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. auf. Das DIN ist eine private Institution, wird jedoch von der Bundesregierung als Zentralorgan der Normung, als deutsche “Nationale Normungsorganisation” anerkannt. Grundlage hierfür ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN vom 5. Juni 1975. Die fachliche Arbeit wird von ehrenamtlichen Mitgliedern (Fachleuten) in Arbeitsausschüssen geleistet.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Umweltschutzes in der Normung wurde innerhalb des DIN die “Koordinierungsstelle Umweltschutz” (KU) und der “Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes” (NAGUS) durch die Vereinbarung zwischen dem BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) und dem DIN über die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Normung vom 22. Oktober 1992 ins Leben gerufen. Die KU unsterstützt alle Normenausschüsse in Fragen des Umweltschutzes. Der NAGUS ist zuständig für die Normung von fachgebietsübergreifenden Grundlagen des Umweltschutzes auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

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Finanzierung des DIN

Finanzierungsstruktur des DIN (2003):
Beiträge der interessierten Kreise: 30%
Beiträge der öffentlichen Hand: 16%
Vertragserlöse und eigene wirtschaftliche Tätigkeiten: 54%

Beiträge der interessierten Kreise
Mitgliedsbeiträge:Alle Vereinsmitglieder des DIN zahlen, z.B. als Pauschale auf der Grundlage aller Mitarbeiter eines Unternehmens, einen Mitgliedsbeitrag. Im Rahmen der rechtlichen Grenzen bietet das DIN seinen Mitgliedern Rabatte und Preisnachlässe, z. B. ist die Vervielfältigung von DIN-Normen für innerbetriebliche Zwecke erlaubt.
Förderbeiträge:Die Förderbeiträge werden im allgemeinen von Förderbeitragsregelungen oder -ordnungen erbeten, die der Beirat eines jeden Normausschusses unter Berücksichtigung des Arbeitsprogramme, des daraus abgeleiteten Haushalts, der Eigenfinanzierungsquote und der Leistungsfähigkeit der einzelnen an der Normung interessierten Kreise verabschiedet.
Kostenbeiträge:Jeder, der in den Arbeitsgremien des DIN mitarbeitet und entweder keine oder nur unzureichende Förderbeiträge leistet, hat einen Kostenbeitrag von 898 EUR (2004) zu leisten.
Beiträge der öffentlichen Hand
Beiträge des Staates werden im Interesse der allgemeinen Gewerbeförderung, der Förderung des Wettbewerbs oder im Interesse der öffentlichen Ordnung gewährt und sind zweckgebunden für Arbeiten, an denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
Verlagserlöse und eigene Tätigkeiten des DIN
Das DIN finanziert sich durch sonstige eigene Erträge (z. B. Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft) und zu einem Großteil durch den
Verkauf von Normen und Norm-Entwürfen. Der Verkaufsertrag wird zur Finanzierung der DIN-Quote der Haushalte der Normausschüsse verwendet.

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Vervielfältigen von Normen

Die Urheberrechte an DIN-Normen stehen denjenigen Personen zu, die die DIN-Normen geschaffen haben. Die Rechte zur wirtschaftlichen Verwertung jedoch hat das DIN. DIN-Normen dürfen nur mit Erlaubnis des DIN und für bestimmte Zwecke und auf bestimmte Arten vervielfältigt werden, sofern dadurch den eigenen Interessen des DIN nicht geschadet wird. Dafür bestehen unterschiedliche Bedingungen und Gebührensätze. Für eine Vervielfältigung von DIN-Normen für innerbetriebliche Zwecke beispielsweise ist pro Vervielfältigung eine Gebühr von 30% des Preises der Norm fällig, 20% im Falle von Unterrichtszwecken mit Herausgabe der Vervielfältigungen an Schüler oder Studenten zum Verbleib.

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